Manneken Pis


Ist das Manneken Pis nun die kleinste oder größte Touristenattraktion Brüssels? Darüber lässt sich gewiss streiten. Doch eines ist klar: an dem wasserlassenden Männlein kommt in Belgiens Hauptstadt niemand vorbei. Was das Brandenburger Tor für Berlin oder die Freiheitsstatue für New York ist – genau das ist das Manneken Pis für Brüssel.

Manneken Pis

Brüssels bekannteste Attraktion ist nur 61 Zentimeter groß

Der Anblick des nur 61 Zentimeter großen urinierenden Jungen aus Bronze wird so manchen Besucher ins Staunen versetzen. Und wahrlich müssen Brüsseler schon sehr viel Mut oder auch Humor haben, um diese Figur als Symbol für Belgiens Hauptstadt auszuerwählen. Für die Einwohner Brüssels ist die Sache allerdings glasklar. Das Manneken Pis symbolisiert Zwanze. Zwanze ist ein Ausdruck des Brüsseler Dialekts, der den Humor und die Lebensart der Einheimischen widerspiegelt. Zwanze beschreibt die Kunst und das Können, andere Menschen mit einer lustigen Erzählung zu erfreuen, die etwas übertrieben ist und auch nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Zwanze ist die Kunst, sich selbst und das Publikum ein wenig zu verspotten, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Denn genau um diese Statue haben sich zahlreiche Folkloregeschichten in den Herzen der Belgier eingebrannt. Von einem Herzogssohn, der eine ganze Stadt vor einem großen Feuer rettete oder einem kleinen Jungen, den eine Hexe in Stein verwandelte – um nur einige zu nennen.

Die Geschichte des Manneken Pis

Manneken Pis oder le Petit Julien bedeutet in deutscher Sprache nichts anderes als kleiner Junge. Und klein ist Brüssels Wahrzeichen wirklich, bereits seit seiner ersten Erbauung im Jahr 1388. Damals wurde die Statue aus Stein errichtet, um einen Trinkbrunnen zu verzieren. Doch längst wurde die steinerne Figur durch die heutige Bronzestatue ersetzt. Die heute in Brüssel im Museum zu bewundernde Statue ist ein Werk aus dem Jahre 1619, das von Jérome Duquesnoy erbaut wurde. Allerdings ist die auf der Straße sichtbare Touristenattraktion aus dem Jahr 1965 nur eine Nachbildung. Zu häufig wurde der überall beliebte kleine Junge schon heimlich entführt.

Kein leichtes Schicksal für den kleinen Jungen

Daran erinnert eine Geschichte aus dem 18. Jahrhundert. Angeblich torkelten betrunkene französische Soldaten durch Brüssels Straßen, um die Statue des "le Petit Julien" bei einem Streich zu entwenden. Darüber war der damals herrschende König Ludwig XV. so verärgert, dass er eine Rückgabe der Statue einforderte. Damit die Soldaten ihre Strafe erhielten, hüllte er die Statue in ein goldenes Gewand, um mit der Statue anschließend zum Orden von St. Louis zu reiten. Von diesem Moment an mussten Soldaten aus Frankreich jedes Mal vor der Figur salutieren, wenn sie daran vorbeiritten. Betrunkene Soldaten sind zwar heute als Besucher des Manneken Pis Mangelware. Doch heute rankt sich um betrunkene Studenten eine besondere Tradition. Angehende Akademiker sorgen in jedem Jahr in Saint-Vehaegen dafür, dass der wasserlassende kleine Mann entführt wird.

Diebstähle mit besonderer Intention

Was wie ein witziger Streich klingt, hatte für die Figur in der Vergangenheit jedoch schon drastische Folgen. In den Annalen des Museums steht geschrieben, dass die Statue in ihrer Geschichte schon mindestens sieben Mal entwendet wurde. Mehrmals wurde die Figur zerbrochen aufgefunden. Einen besonders bitteren Beigeschmack hatte ein Diebstahl im Jahr 1963 durch Studenten aus Antwerpen. Die Diebe rechtfertigten die Straftat mit der Begründung, durch diesen Akt auf das Problem missgestalteter Kinder aufmerksam machen zu wollen. Allerdings wurde die Figur noch am gleichen Abend wieder an ihrem Platz aufgestellt. Ganz gleich, ob Diebe Aufmerksamkeit erregen wollten, einfach einen bösen Streich planten oder das Bronze in Geld umwandeln wollten – jede dieser Geschichte ist ein trauriges Kapitel in der Vergangenheit des kleinen Jungen. Taten wie diese sollen heute vermieden werden, indem der Platz mit Videokameras überwacht wird. Heute befindet sich vor der Statue außerdem ein schmiedeeisernes Gitter, mit dem der Brunnen von der Straße abgeschirmt ist.

Kopien, soweit das Auge reicht

Auf einem Rundgang durch die Stadt bleibt gewiss keinem Besucher die große Vielfalt an Kopien des Manneken Pis verborgen. Das Original befindet sich zwar heute in Brüssels Museum in der Maison du Roi. Nachbildungen in allen vorstellbaren Formen, Farben, Größen und Geschmacksrichtungen säumen jedoch das ganze Stadtgebiet.

Verkleidungen für alle erdenklichen Anlässe

Mit der Verkleidung des Manneken Pis hatte König Ludwig XV. damals einen Trend eingeleitet, der bis heute anhält. Mehrere Male pro Monat erhält die Brunnenfigur ein niedliches Gewand. Mittlerweile hat die Stadt Brüssel sogar einen Schneider engagiert, der nur damit beschäftigt ist, Kostüme für den kleinen Jungen zu kreieren. Mittlerweile zählt die Garderobe des Manneken über 900 Outfits, von denen einige im Museum in der Rue de Chene und Rue de l'Etuve bewundert werden können. Beispielsweise posiert die Figur an Tagen von Länderspielen der belgischen Nationalmannschaft im Team-Trikot. An Geburtstagen namhafter Persönlichkeiten wie Wolfgang Amadeus Mozart huldigen die Kostüme der Figur diesen Personen der Zeitgeschichte. Zu Ereignissen wie Halloween oder dem Nationalfeiertag für Soldaten zeigt sich das Manneken ebenfalls von seiner modischen Seite. Wer ein Kostüm für den kleinen Jungen anfertigen möchte, muss im Vorfeld einen Antrag beim Schöffenrat und Bürgermeister der Stadt Brüssel stellen. Daraufhin prüft eine Kommission, ob das vorgeschlagene Kostüm allen Bedingungen entspricht. Bislang setzten sich insbesondere Japaner dafür ein, dass die Statue regelmäßig in neue Kleidung gehüllt werden kann.

Ein Symbol für Mut oder ein Geschenk eines glücklichen Vaters?

Doch was macht den Erfolg des Manneken Pis aus? Ist es nur der typisch belgische Humor, den Einheimische mit diesem "Kunstwerk" Ausdruck verleihen? Zahlreiche Legenden und Theorien ranken sich um den kleinen Mann. Doch eine Besonderheit tritt immer wieder hervor. Die Statue symbolisiert Mut und Respektlosigkeit – Attribute, die mehr oder weniger umstritten sind. Einer Geschichte zufolge gab es einst einen Jungen, der eine brennende Fackel von angeblichen Belagerern mit seinem Urin löschte. Einer anderen Geschichte zufolge erinnert die Statue an einen Vater, der seinen Sohn verzweifelt in einer Menschenmenge suchte und erst nach mehreren Tagen wiederfang – pullernd. Aus dem Grund – so heißt es – ließ der Vater an dem Ort freudestrahlend die Figur erbauen. Man mag die Geschichten glauben oder auch nicht. Doch es gibt keine Zweifel daran, dass das Manneken Pis eine der faszinierendsten Attraktionen der ganzen Stadt ist.

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